HC Ascona – EHC CHUR 4:5
Tore für Chur: Sieber (2), Roussette, Holenstein, Engler
Zuschauer: Offiziell 192, inoffiziell handgezählte 100, davon 7 Churer
Ich bin alt. Ich habe den ersten Aufstieg des EHC in die NLA schon im Fanblock miterlebt. Und trotzdem scheine ich meinen Club immer noch nicht richtig zu kennen. Im Vorbericht habe ich unter „Prognose“ geschrieben: „Der EHC wird seiner Favoritenrolle gerecht und gewinnt mit 10:2“. Wie man sich täuschen kann, dieser Verein überrascht mich immer wieder aufs Neue. Aber genau deshalb lieben wir ihn doch so, oder? Gwöhnlich sind halt doch anderi!
Bevor ich detaillierteres zum Spiel schreibe, möchte ich mich bei Ascona entschuldigen. Ich habe wirklich ein Gekloppe und Gehacke erwartet, jedoch ging es 60 Minuten äusserst fair und gesittet zu und her. Das Spiel kam nie über Freundschaftsspiel-Charakter hinaus, es wurde gelacht, es wurde gescherzt, man half sich gegenseitig hoch wenn jemand am Boden lag. Gregory Christen hatte nach einem abgepfiffenen Icing sogar Zeit, sich keuchend über die Bande zu den Churer Fans zu beugen und mit ihnen zu scherzen. Grazie Ascona.
Man merkt schon vor dem Spiel, dass das hier kultig werden wird. Eine offene Eisbahn allein ist ja noch nichts sooo spezielles, es ist eher die Summe aller Besonderheiten, die in Erinnerung bleiben werden. Die fehlenden Parkmöglichkeiten z.B. Oder die hübsche Holztribüne, auf der es aber weit und breit keinen Strom gibt, weshalb sich unser Radio-Team auf der „Gegentribüne“ (zwei Steinstufen und eine Rasenfläche direkt an der Bande) einrichten muss. Oder die inexistente Kassa. Wollen anscheinend kein Geld verdienen, die Asconer. Und dann vorallem die Motten. So viele Motten. Erinnert ihr euch ans EM-Finale, als Christiano Ronaldo am Boden sitzend von einer hinterhältigen Motte voll im Gesicht attackiert wurde? So fühlten wir uns auch. Zweieinhalb Stunden lang. Motten wohin das Auge reicht. Gegen Ende der Drittel liegen jeweils unzählige Motten auf dem Eis. Wenn das Spiel wieder mal besonders unansehnlich ist, erfreuen sich die Churer Fans halt an besonders mutigen (oder dummen) Motten, die knapp über der Eisfläche ihre Kunststücke vorführen und nicht aufs Eis abstürzen oder rücksichtslos von Spielern umgefahren werden. Sie sind heute leicht zu begeistern, die Churer Fans. Sieben an der Zahl übrigens. Ich habe wirklich mit einer Invasion gerechnet, so kultige Spiele muss man doch besuchen, ihr daheimgebliebenen Stubenhocker!
Zum Spiel: Natürlich – und wie nicht anders zu erwarten – ist es der EHC, der das Spieldiktat sofort in die Hände nimmt und die Asconauten schwindlig spielt. Nur zweieinhalb Minuten dauert es, bis Lukas Sieber das 1:0 erzielt und das Spiel in die richtige Bahn lenkt. Auch danach bleibt Chur am Drücker und schnürt die Asconesis in ihrem Verteidigungsdrittel ein. Gelegentlich kommt es zu Entlastungskontern, und so einen schliesst Gregory Christen (wer auch sonst?) aus heiterem Himmel mit einem Klasse-Schuss zum 1:1 ab. Die Ascowiner freuen sich extrem über diesen Treffer, vielleicht denken sie da ja noch, dass das der einzige bleiben wird.
Zur Mitte des ersten Drittels gelingt den Churern ein Doppelschlag. Unser Küken Sebastien Roussette und Manuel Holenstein skoren innert einer Minute zur 3:1 Führung. Kurz danach gibts die erste Strafe gegen einen Asconiten, welche aber trotz Dauerbelagerung nicht ausgenutzt werden kann. Kaum ist die Strafe abgelaufen, ergibt sich für die Churer die Chance, es besser zu machen, denn wieder muss ein Asconante auf die Strafbank. Doch – peinlich, peinlich – man kassiert gegen den limitierten 2. Liga-Tabellenletzten tatsächlich einen Shorthander. Torschütze? Ist doch klar wer, muss ich gar nicht schreiben. Mit 2:3 geht’s in die erste Pause.
Im zweiten Drittel gehts noch schneller als im ersten, ganze 35 Sekunden sind gespielt, als Claudio Engler die Führung erhöhen kann. Und als Lukas Sieber in der 27. Minute mit einem Shorthander auf 5:2 stellt, gehe wohl nicht nur ich davon aus, dass das Spiel jetzt in Richtung „Stängeli“ geht, wie ich im Vorbericht prognostiziert hatte. Doch die Asconasen denken nicht daran, sich jetzt in ihr Schicksal zu ergeben und kämpfen so gut sie es können gegen die Kanterniederlage an. Und sie machen das gut. Dass der EHC mittlerweile wieder 2 Gänge zurück geschaltet hat, kommt ihnen natürlich entgegen. Spielen und spielen lassen lautet die Devise. Mitte Drittel macht Lele Sarkis Platz für Tobias Werner, und in der 39. Minute gelingt den Asconanern der dritte Treffer, mit 3:5 gehts in die zweite Pause.
Das dritte Drittel plätschert die ersten 5 Minuten mehr oder weniger ereignislos dahin. Die Anfangs noch kaum bemerkbare Kälte hat sich mittlerweile unter die Kleidung und in die Schuhe geschlichen, als Ascona das 4:5 erzielt. Man merkt den Spielern beim Torjubel ihre Gedanken richtig an, „Hey, da geht doch vielleicht noch was?“. Also wohl eher „Hey Ragazzi! vincere possibile“. Oder so ähnlich, ich kann leider kein italienisch. Jedenfalls steht das Spiel resultatmässig auf der Kippe. Jedoch nur resultatmässig, bei den knappen Spielen in der Meisterschaft zittert man um einiges mehr, zu limitiert sind die Asconoiden. Auch als sie kurz vor Schluss den Goalie durch einen sechsten Feldspieler ersetzen, gelingt ihnen der Ausgleich nicht mehr, das Spiel endet mit 4:5.
Die sieben Churer Fans applaudieren respektvoll den sich tapfer geschlagenen Asconeden, unser Team kommt trotz fehlendem Support zur Welle zu uns, und Lukas Sieber hat sogar noch kurz Zeit für ein spontanes Interview mit unserem fliegenden Reporter. Und er spricht die Worte aus, die wohl jeder nach diesem Spiel benutzen wird: „Hauptsach gwunna“.