EHC Frauenfeld – EHC Chur 3:4 n.V.
(1:0, 2:0, 0:3, 0:1)
Tore für Chur: Bucher (3, davon 2 im PP), Engler (Shorthander)
Zuschauer: 342 (30 Churer)
Handelte es sich früher bei einem „Derby“ um das Aufeinandertreffen zweier Teams aus Städten in naher geografischer Nachbarschaft oder zumindest aus demselben Kanton (z.B. Ambri – Lugano oder Kloten – ZSC), gibt es inzwischen diverse neue Derbies, wie z.B. das Gotthard-Derby Ambri – Zug oder das Romandie-Derby Lausanne – Genf. Heute Abend wird dieser Liste ein neues Derby zugefügt: Das Kantonshauptstädter-Derby Frauenfeld – Chur. Copyright by Frauenfelder Stadionspeaker.
Das erste Drittel beginnt flott. Beide Teams legen den Fokus auf die Offensive und es ist der wieder im Churer Tor stehende Roman Bearth (Lele Sarkis steht beim Einspielen zwar auch auf dem Eis, nimmt dann aber als Ersatztorhüter auf der Bank Platz), der als erster eingreifen muss. Er kann einen Schuss zwar abwehren, aber nicht halten, so dass die Frauenfelder nachstochern können, der Puck rutscht dadurch in aufreizender Lässigkeit haarscharf am Pfosten vorbei. Nach 4 Minuten gibt’s die erste Strafe wegen eines Hakens gegen einen Frauenfelder. Das Churer Powerplay sieht gut aus, die Formation steht und es werden gute Chancen herausgespielt, es fehlt einzig der Treffer.
Kuriose Szene kurz danach: Der Schnürsenkel eines Frauenfelder Spielers hat sich um den Schlittschuh eines Churers gewickelt, die beiden bekämpfen sich, weil beide meinen, der andere halte und klammere, bis sie merken, dass da etwas nicht stimmt. Nach ein paar Sekunden ist die Sache aber entknotet und die Spieler sind wieder “frei”.
Das Spiel bleibt schnell und es geht stetig hin und her. In der 11 Minute können zwei Frauenfelder auf einen Churer Verteidiger zustürmen, sie spielen sich den Puck im genau richtigen Moment zu, so dass Bearth gar nicht schnell genug verschieben kann und der Stürmer den Puck nur noch ins „leere“ Tor einzuschieben braucht. Die Führung für die Thurgauer.
Chur hat übers ganze Drittel gesehen mehr Spielanteile und nicht weniger Chancen als Frauenfeld, gefährlicher sind aber ganz klar die Frauenfelder. So auch in der 16. Minute, als Bearth einen Schuss mit einer grandiosen Parade abwehren kann, den Nachschuss knallt der Frauenfelder Stürmer an die Latte. Die Thurgauer betreiben ein brutales Pressing, der scheibenführende Churer wird sofort von 2 oder sogar von 3 gegnerischen Spielern attackiert und unter Druck gesetzt, sie machen das wirklich sehr stark. Deshalb gibt’s für die Churer – trotz optischer Dominanz – sehr wenige Hochkaräter. Eine davon hat kurz vor Schluss Manuel Holenstein, der per Zufall (defensiv leisten sich die Frauenfelder desöfteren Aussetzer und spielen den Puck den Churern pfannenfertig zu) allein vor dem Goalie an den Puck kommt, ihm diesen aber voll mitten in die Fanghand schiesst.
Nach nur 27 Minuten ist das erste Drittel bereits zu Ende. Ein schnelles, flottes Spiel mit wenigen Unterbrüchen und einer nicht unverdienten Führung für Frauenfeld.
Das 2. Drittel läutet der sympathische Speaker mit [thurgauerdialekt on] „Viel Spass ond Hopp Chuä ond Hopp Fchauäfäld !“ [thurgauerdialekt off] ein. Die Churer legen los wie die Feuerwehr und nach wenigen Sekunden vergeben sie die Chance zum frühen Ausgleich. Im direkten Gegenzug stürmt ein Frauenfelder am Flügel entlang übers ganze Feld bis hinter das Churer Tor, spielt von dort einen Rückpass, der durch viele Beine genau einem Mitspieler auf den Stock rutscht, dieser zieht sofort ab und findet die Lücke ins Tor, da ist das schnelle 2:0.
Bis zur Spielmitte spielen die Churer 3 Mal in Überzahl, jedesmal steht die Formation zwar nicht schlecht, das eine oder andere Mal brennt es auch lichterloh vor dem Gehäuse, zählbares schaut aber leider nichts raus. Sogar eine doppelte Überzahl – wenn auch nur für einige Sekunden – kann nicht ausgenutzt werden. Die Chance zur Schussabgabe wird immer wieder verpasst oder es wird dem Goalie zu viel Zeit gewährt, zu verschieben. Ausserdem kommen die Schüsse viel zu ungenau. Das runde Logo der Frauenfelder scheint eine magische Anziehungskraft wie beim Darts zu haben, immer wieder gehen die Schüsse genau mittig auf den Torhüter. Wie man es besser macht, zeigen uns die Frauenfelder bei der ersten Strafe gegen Chur. Die Schlinge um die Churer Box zieht sich immer enger, bis am langen Pfosten einer allein steht, der den punktgenauen Pass nur noch einzuschieben braucht. 3:0, frustrierte Churer auf dem Eis und auf der Tribüne.
Nach 35. Minuten haben die Churer die nächste (die fünfte!) Chance, ihr Score in Überzahl zu eröffnen. Und nur eine Minute später wandert ein weiterer Frauenfelder auf die Strafbank, also rund eine Minute doppelte Überzahl. Aber leider stellt man sich wieder viel zu kompliziert an, die Sekunden verstreichen und die 0 bleibt auf der Anzeigentafel stehen. Die Sirene bittet zum Bier. 3:0 für Frauenfeld, und das absolut verdient. Fassungslosigkeit bei den Churer Fans. Wo ist unser EHC?
Das dritte Drittel beginnt schlecht, nach gerade Mal 11 Sekunden wandert Yannick Bucher wegen eines Stockschlags auf die Strafbank. Frauenfeld hat während dieser 2 Minuten jedoch keine Chance, zu gut spielt Chur das Boxplay. Nach rund 6 Minuten leistet sich Nino Fehr, der Torschütze zum 2:0, einen Ellbogencheck und muss dafür raus. Irgendwas fällt nach diesem Entscheid auf der Frauenfelder Bank vor, denn der Schiri gibt zusätzlich noch eine Bankstrafe. Also volle 2 Minuten doppelte Überzahl für den EHC. Und Marcel Habisreutinger setzt zu Recht alles auf eine Karte und nimmt Roman Bearth aus dem Tor. 6 Churer gegen 3 Frauenfelder. Es dauert nur 20 Sekunden, bis Yannick Bucher einen Querpass von Patric Schwab über die Schulter von Styger in den Netzhimmel hämmert, endlich ist der Bann gebrochen, „nur noch“ 3:1.
Nur 2 Minuten später wandert der nächste Thurgauer auf die Strafbank. Chur macht jetzt bedeutend mehr Druck als in den ersten Powerplays und tatsächlich liegt der Puck nach wenigen Sekunden im Tor. Der Schiri anerkennt den Treffer aber nicht sofort, sondern bespricht sich mit seinen Linesmen, und aberkennt es schlussendlich, da es mit der Hand erzielt wurde. Aus meiner persönlichen Sicht der einzige Fehlentscheid des Trios über das ganze Spiel (ansonsten ganz starke Vorstellung der Unparteiischen, Chapeau!!!).
Das Spiel geht also mit dem Stand von 3:1 weiter, aber noch haben wir ja Powerplay, und es dauert keine 20 Sekunden nach dem vermeintlichen Anschlusstreffer, als Tor Nummer 2 wirklich fällt. Wieder ist es Yannick Bucher, der die Churer Fans jubeln lässt. Und es sind immer noch 10 Minuten zu spielen. Geht da noch was?
In der 54. Minute ein Dämpfer für Mannschaft und Fans, Fabian Morandi muss wegen eines Crosschecks in die Kühlbox. Die Churer Drangphase erhält also einen Dämpfer. Bei Frauenfeld ist die Luft jetzt aber draussen, es wird wieder nicht gefährlich vor dem Churer Tor. Dann muss sich jedoch Patric Schwab wegen Behinderung zu Morandi auf die Strafbank setzen, die 10 Sekunden doppelte Unterzahl überstehen die Churer jedoch problemlos. Kaum ist Morandi wieder auf dem Eis, zieht Claudio Engler unwiderstehlich auf Styger los und bezwingt ihn zum vielumjubelten Ausgleich durch einen Shorthander. Die Churer Fans liegen sich in den Armen, die Strafe gegen Schwab dauert aber noch an, jetzt wäre eine erneute Führung für Frauenfeld natürlich doppelt bitter. Doch es sind wieder die Churer, dieses Mal in Person von Pepe Bigliel, die in Unterzahl zu einer Grosschance kommen. Auch Bigliel kann solo auf Styger losziehen, er vergibt diesen Matchpuck aber leider. Trotzdem sieht man nur fröhliche Gesichter im Churer Fanblock, egal was jetzt noch kommt, es wird ein (oder werden 2) gewonnene(r) Punkt(e) sein.
Die Verlängerung hat kaum begonnen, als Manuel Holenstein mit einem herrlichen Pass Yannick Bucher lanciert, welcher allein vor Styger nicht lange zögert und den Puck zum 4:3 Sieg in die Maschen knallt. Nach 18 Sekunden! Wir liegen uns in den Armen, als hätten wir soeben den Stanley-Cup gewonnen. Nicht mehr erwartete Siege sind halt mitunter die Schönsten! Im Auto auf der Heimfahrt variieren die Meinungen zum entscheidenden Tor zwischen „Schuss ins Kreuz“, „halbhoch“ und „zwischen den Schonern von Styger“, das Tor fiel halt auf der gegenüberlegenden Seite des Stadions und war schwer zu erkennen. Aber mal ehrlich: Interessiert das jemanden?
Die drei besten Churer.
- Roman Bearth (der Junge hat uns 2 Drittel im Spiel gehalten)
- Yannick Bucher (schon wieder 3 Tore. Langsam wird’s unheimlich)
- Claudio Engler (wichtiger und souveräner Shorthander)