In einer neuen Geschichte unserer Serie „Gwöhnlich sind anderi – verrückte Geschichten mit dem EHC Chur“ erzählen wir euch von einem unfassbaren Playoffspiel am 15. Februar 2004, dies aus der Optik zweier veritabler Holzköpfe. Deren Namen wollen wir euch an dieser Stelle vorenthalten, der eine oder andere wird ziemlich schnell von selber drauf kommen, um wen es sich dabei handelt, ist aber eigentlich auch völlig egal.

Das Wunder vom Seeland

Vorgeschichte: der damalige NLB-Aufsteiger Chur qualifizierte sich dank eines tollen Endspurts in der Quali für die Playoffs und traf als achtplazierter auf den Ligakrösus aus Biel, welcher die Quali gewonnen hatte. Der EHC – dessen Führung die Playoffquali bereits als Saisonziel abtat – transferierte zwei ihrer besten Spieler zum Partnerteam aus Lugano, Gregory Christen und Dani Peer (der in dieser Zeit gar Einsätze im Playoff-Final hatte, aber später klar betonte: „i hett viel liaber mit am EHC Playoffs gspielt“). Zudem fehlten Collenberg (bei den Gelben), Reto Rietberger (Lugano Elite), Bonorand und Capaul (Chur Elite), Cavegn (verletzt), Tischhauser gesperrt (die sagenumwobene Keilerei mit dem Linesman) und Rüabliraspla Peter Bohunicky war überzähliger Ausländer.

So verlor Chur die ersten beiden Partien der Serie gegen Biel und reiste mit 2 Torhütern und nur 15 Feldspielern am Sonntagnachmittag ins Seeland.

Ebenfalls unbedingt an diese Partie wollte der rothaarige Holzkopf #1. Er machte sich scheinbar beizeiten mit dem Zug von der Innerschweiz Richtung Chur auf, um gemeinsam im Fancar nach Biel zu reisen. In der Hauptstadt ankommend, wunderte er sich noch, wieso niemand am Bahnhof auf den Car wartete. „Janu“, dachte er sich, „bin ich halt zu früh. Gehen wir noch kurz in den Mac zu einem Häppchen.“ Dort lag dann die jüngste Ausgabe des Bündner Tagblatts auf, und da fuhr im der Schreck in die Glieder. Der Match begann bereits um 17:oo Uhr, und nicht wie eigentlich gedacht, eine Stunde später. Er hatte den Car schlichtweg verpasst!

In diesem Fancar sass zu dieser Zeit Holzkopf Nr. 2, der Daueroptimist glaubte immer noch, dass sein EHC doch noch etwas reissen könnte, frohen Mutes tingelte er gemeinsam mit fünfzig verwegenen Schlachtenbummlern Richtung Seeland, scheu Zweckoptimismus versprühend.

Holzkopf 1 derweil (in der Folge einfachheitshalber HK1 genannt), damals noch ohne Natel unterwegs (man stelle sich das heute vor), torkelte ausser Atem an den Bahnschalter und erkundigte sich nach der schnellsten Zugverbindung nach Biel. Die nette Dame am Schalter (vielleicht war es auch ein alter Mann, wir wissen es nicht mehr so genau, auf jeden Fall war es kein Online-Fahrplan) meinte dann, um 17:50 wäre HK 1 in Biel. „Reicht zirka zum zweiten Drittel“ errechnete dieser und löste verwegen das Bilett.

Zu dieser Zeit rauschte der Fancar bereits dem Seeland entgegen. Pünktlich zum Spiel (und nach gut 3 1/4h Fahrzeit) kam der Tross beim alten Bieler Eisstadion an. HK 2 stillte den Hunger mit einem Hotdog und gesellte sich in die Stehplatzrampe – diagonal versetzt zur imposanten Bieler Fankurve. Einer seiner Gspänli kannte einen Fan des EHC Biel, und dieser Fan (nennen wir an dieser Stelle mal HK Biel) wurde freundschaftlich von diversen Churern zugetextet. „Ihr (also Biel) habt keine Chance, das wird für uns ein Spaziergang.“

Die Realität sah dann aber gaaaaanz anders aus, Biel war haushoch überlegen und die Churer konnten sich nur mit unerlaubten Mitteln behelfen. (U.A.) diese Strafen führten dann rasch zu zwei Toren der Gastgeber (9`Bonsignore und 16`Tognini). Der EHC hatte, gelinde gesagt, keine Chance, kam aber wie die Jungfrau zum Kinde ganz kurz vor der ersten Drittelspause zum Anschlusstreffer (Baechler im Powerplay). Ein viel zu knappes 2:1 für Biel also nach 20 Minuten.

Zu dieser Zeit sass HK1 noch immer angespannt im Zug nach Biel. Ohne Natel oder anderen Informationsmitteln hatte er keinen Blassen, wie es im Spiel stand. Zudem deutete sich eine Zugsverspätung an, auch das noch…

Drittel Zwei: Biel weiterhin krass überlegen. Dank des überragenden Michael Flückiger und einer aufopfernd kämpfenden Mannschaft („Leonids Tambijevs war bei Chur der einzige Hockeyspieler, alle anderen hackten Holz“) musste der EHC bis zur zweiten Sirene nur noch einen Gegentreffer fressen. Aufgrund der ruppigen Spielweise wurden aber sowohl Churs Topscorer Bob Lachance als auch Verteidiger Davide Carrara mit Spieldauerdisziplinarstrafen belegt, das reduzierte Kader der Steinböcke in Rot schrumpfte also weiter. Rund um HK Biel blieb der Zweckoptimismus jedoch ungebrochen, „da ist noch gar nichts gelaufen, wart du nur.“ HK 2 war zu dieser Zeit etwas ernüchterter, nur das bisschen Ironie und die allgemein gute Stimmung im Sektor konnten ihn etwas trösten. 3:1 für Biel nach 40 Minuten, viel zu knapp angesichts des Spielverlaufes (und ja, wir wiederholen uns…).

Von diesem 3:1 nahm dann auch HK 1 im Taxiradio vom Bahnhof zum Bieler Eisstadion Notiz. „Ganz toll, hat sich die Reise also schon mal gelohnt“, dachte er voller Zynik. Kurz vor dem letzten Drittel kam er dann zum Kassahäuschen des Stadions, und zu seiner Überraschung und Verärgerung wurde ihm dann auch noch der volle Eintrittspreis berechnet. Grossartig.

Und kaum im Stadion eingetroffen, dröhnte ein weiterer Torjubel durch das alte Gemäuer. „Ein Tor, aber für wen? Unsere machen ja schon ordentlich Lärm, aber das war wohl zu laut für einen Churer Treffer. Und fürwahr, in Spielminute 42 war es ausgerechnet ein alter Bekannter Namens Kevin Schläpfer, der für Biel die scheinbare Vorentscheidung zum 4:1 erzielen könnte. HK 1 wurde von seinen Freunden begrüsst, “was für ein Trottel, dieser Aufwand für diese Partie, in der wir keine Chance haben und auch bereits hoffnungslos zurückliegen. Und dann noch teure Zugsbillette und den vollen Ticketpreis für den Match zahlen, was für ein Dödel. Den vollen Carfahrpreis verrechnen wir dir gleich auch noch für deine Dummheit.“

Da HK 1 und HK 2 zu diesem Zeitpunkt vereint waren, erfolgt die weitere Berichterstattung nur noch aus einer Optik.

Also, Biel 4 – Chur 1, weiterhin Spiel auf ein Tor, nämlich auf das der arg dezimierten Churer. HK Biel wurde noch immer vollgelabert, „pah, was sind schon drei Tore, da haben wir schon andere Matches gekehrt, da ist noch gar nichts verloren, GAR NICHTS!“

In Spielminute 50 nahm Churs Trainer Ueli Hofmann sein Time Out. So manch einer dachte, so, der Ueli nimmt jetzt Druck vom Kessel, sagt seinen Jungs sie sollen es gut sein lassen, Kräfte für Dienstag sparen und dann nochmals Zuhause Vollgas geben. Dachten wohl auch die Bieler.

Was danach geschah, ist mit Worten kaum zu beschreiben…

Nebst den Treffern vom Letten Tambijevs und Ivo Simeon zum 4:2 und zum 4:3 (51′ und 54‘) gelang es den Churer Haudegen Stoffel, Haueter und co. auch noch, die Ausländer des EHC Biel zusehends mit Provokationen auf die Palme zu bringen.

Noch 5 Minuten, der Provokations-Schuss ging aber zunächst nach hinten los. Nach einer mit Müh und Not überstandenen Unterzahl wanderte nach 57:50 erneut ein Churer in die Kühlbox, Jürg Hardegger nämlich. Der Churer Block tobte, während Biel dem entscheidenden 5:3 mehrmals extrem Nahe kam. Die Zeit zerrann, Chur war ausschliesslich in der Defensive beschäftigt. 59:45 (jop, damals ging die Uhr noch aufwärts), Leonids Tambijevs konnte die Scheibe irgendwie aus dem Drittel spitzeln und stahl sich am linken Flügel am letzten Bieler Verteidiger vorbei. Zu diesem Zeitpunkt öffnete sich die Churer Strafbanktür, Jürg Hardegger machte sich diagonal auf den Weg Richtung Zerzuben. 59:55, Tambi und Hardy tauchten versetzt im Seeländer Drittel auf, die Bieler Verteidiger waren zwei, drei Schritte im Rückstand. 59:57, Tambi zog gegen innen, spielte die Scheibe zu Hardegger, 59:58…

HK 2 blickte aufgrund allgemeiner Sehschwäche und einem suboptimalen Sichtwinkel abwechselt zur Matchuhr oben, weit links auf das Tornetz und auf die rote Laterne hinter dem Bieler Schlussmann. 59:59, und tatsächlich, das Netz zappelte, die Lampe ging auf rot, TOOOOOOR, 4:4!!

Jürg Hardegger, direkt von der Kühlbox kommend, erzielte in Extremis den Ausgleich. Un–fucking–glaublich (würde man heute sagen).

Die Churer Fankurve stand Kopf, die Roten auf dem Eis lagen sich jubelnd in den Armen, was für ein Spiel. HK Biel war zu dieser Zeit verschwunden, aber wir hatten es ihm doch die ganze Zeit schon gesagt.

Verlängerung, 20 Minuten, 5 gegen 5. Chur verblieben zu diesem Zeitpunkt lumpige 13 Feldspieler (Lachance und Carrara sahen dem Treiben zu dieser Zeit wie weiter oben bereits vermerkt schon längst von der Tribune neben dem Churer Mob zu). Biel, mit der Wut im Bauch (und der Power von Spielern wie Tschantre, Jomphe, Bonsignore, Schläpfer, von Gunten, Tognini und Becarelli, um nur einige zu nennen) erzeugte Dauerdruck auf das Churer Tor. Der EHC kam in dieser Verlängerung höchstens zu zwei, drei Entlastungsangriffen, während Flückiger die Ohren von diversen Latten- und Pfostenschüssen der Seeländer nur so klingelten. Weitere Schüsse entschärfte er selber magistral oder Churs Verteidiger stürzten sich todesmutig in die Schüsse der Gastgeber.

Das Spiel wurde weiterhin enorm hart geführt (137 Strafminuten total), aufgrund diverser Provokationen landeten gegen Ende der 80 Spielminuten plötzlich beide Bieler Ausländer in der Kühlbox. Und als die Schlussirene zum Penaltyschiessen lud, wurde plötzlich klar, dass bei den Gastgebern beide Söldner nicht zum Shootout antreten dürfen. Das wird doch nicht doch zu einem Happy End mutieren?

Der EHC gewann den Münzwurf, Luca Triulzi versenkte den ersten Penalty. Biels erster Schütze Schläpfer scheiterte, Leonids Tambijevs traf anschliessend zum 0:2….. bahnte sich da tatsächlich das Wunder vom Seeland an? Tognini und Leslie scheiterten, Chur noch immer mit zwei Toren in Front. Als nächstes trat dann Furler an, und traf, nur noch 1:2. Das Zittern wurde unerträglich, … noch je 2 Schützen. John und Reber scheiterten, jetzt blieb nur noch je ein Versuch.

Matthias Baechler konnte nun alles klar machen, verschoss aber seinen Penalty. Nun musste Flückiger halten, um den Vorsprung in einen Sieg umzumünzen. Roder lief an…. und Flücki hielt!! Was für ein unfassbarer, eigentlich völlig unverdienter, aber schlussendlich doch unheimlich geiler Sieg!! Jubel beim EHC Chur, Trübsal bei den Gastgebern. Das Bieler Tagblatt titelte: „Biel dumm und naiv.“ Und Chur: „Aufopfernd und befreit zum Auswärtssieg.“

HK 1’s verwegene Reise ins Seeland fand so sein unglaubliches Happy End, gemeinsam mit HK 2 und 50 euphorisierten Churer Schlachtenbummlern (die nun Meister werden wollten) wurde die Reise in die Heimat angetreten.

Was für eine Story uns da unser EHC ablieferte, aber eben, „gwöhnlich sind anderi!“

Wollt ihr noch mehr Beweise, dass wir Fans des geilsten Clubs aller Welten und Zeiten sind? Werden wir euch liefern, nur Geduld, Teil Drei der Serie folgt recht bald…

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Zur ersten “gwöhnlich sind anderi” Story geht es hier:

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