Wer kennt ihn nicht, Martin Moritzi, DEN Urfan des EHC Chur schlechthin. Schon seit Ewigkeiten verfolgt der nunmehr 60 jährige unseren Club, unzählige Geschichten hat er bereits miterlebt, die Hochs und Tiefs der letzten Jahrzehnte allesamt mitgemacht. Genau darum haben wir bei Martin angeklopft und ihn ein wenig über unser aller Lieblingsclub und seine Geschichte(n) ausgefragt.
ehcfans.ch: Heute gehen wir grad direkt voll ans Eingemachte, Martin, wieso bist du Fan des EHC Chur? Wieso nicht die Gelben oder Blauen auf den Bergen, haben/hatten ja viel mehr Erfolg als wir?
Martin Moritzi: Das liegt mir vermutlich im Blut. Ich bin Churer durch und durch. Hier geboren, aufgewachsen, nie länger weg von Chur (ausser während der RS). Ausserdem sind wir Moritzi von je her Churer Bürger. Wenn du dich in den 70ern als Goof für Sport interessiert hast, kamen ja nur die Churer Vereine in Frage. Mit der finanziellen Möglichkeit während der Stifti sind viele meiner Kollegen dann zu den blau/gelben, wenige auch zu den gelb/blauen abgewandert. Ich bin halt geblieben, habe auf den Mainstream gepfiffen.
Kannst du dich noch an deinen allerersten EHC Match erinnern?
1972/73 auf der alten KEB in Chur. Pumpenvoll war die Hütte. Wir standen zuhinterst auf einer Bahnschwelle, das waren die Tribünentritte, und haben versucht etwas zu sehen. Als mir etwas nicht gepasst hat, habe ich «buh» gerufen, und der Vater von meinem Kollegen hat mich zurechtgewiesen: das mache man nicht. Wohl die Geburtsstunde des EHC Chur Fan Moritzi! Resultat und Gegner weiss ich nicht mehr. Chur ist aber in dieser Saison in die 1.Liga abgestiegen, logisch oder?
Erzähle uns ein bisschen von deinen frühesten Erinnerungen mit dem Club. Wie war das damals, vielleicht auch verglichen mit heute?
Es war natürlich alles noch sehr amateurhaft, auch in höheren Ligen. Wolltest du dich als Fan outen, mussten Pullover, Schals, Kappen usw. alles noch gelismet werden. Ausser den Unterhosen war bei mir damals wohl alles in rot/weiss/schwarzer Wolle! Organisierte Auswärtsfahrten mit dem Car gab es damals noch kaum, die kamen erst Ende der 70er Jahre. Dann ist der EHC im 79 in die NL B aufgestiegen, der Fan Club wurde gegründet, und die «Neuzeit» wenn man so will, begann.
Wenn du schätzen müsstest, wieviele Spiele des EHC Chur hast du in deinem Leben bereits gesehen?
Das ist wirklich schwierig zu sagen, aber ich habe viele Jahre gehabt, in denen ich 100% aller Saisonspiele (incl. Vorbereitung) gesehen habe. Müsste ich eine Zahl nennen, nehme ich an, wären dies um die 1400 Spiele. Ich habe wahrscheinlich mehr Spiele vergessen, als viele überhaupt gesehen haben!
Und welches davon wird dir in bester Erinnerung bleiben? Darfst natürlich auch mehrere aussuchen….
Eines der eindrücklichsten Spiele für mich war, wen verwunderts, eine Niederlage, und dann was für eine: am 9. März 1991 verloren wir in Lausanne mit 16:5! Liesch rein Derungs raus, Derungs rein Liesch raus usw. Flaschenwurf von Leo Schumacher Richtung Schiri. Leo musste damals nicht nur die Spielerbank, sondern sogar das Stadion verlassen. Vom LHC Fan Club habe ich als Fan Club Präsi damals ein Schreiben erhalten, in dem die Fairness, das Verhalten und die gute Stimmung der Churer Fans (trotz der Schlappe) gelobt wurden! Ende Saison sind wir trotzdem aufgestiegen…….
Unvergessen auch der 2. Aufstieg ins mit dem 2:4 in Bern. Tosio gegen alle!!!
In der Neuzeit etwa der 6:5 Derbysieg bei den Blauen hinten, nach einem 5:0 Rückstand!
Und welche Geschichte wird dir Erinnerung bleiben? Vielleicht ein Skandal, eine Fahrt, ein Treffen, ein Fest…? Darfst natürlich auch mehrere aussuchen….
Z.B. ein NL B Spiel in Visp. Damals gab es noch Ost + Westgruppe. Die Mannschaften, die nicht gegen Auf – oder Abstieg spielten, trugen einen sogenannten B Cup aus. Bei besagtem Spiel in Visp waren wir 3 ! Churer Fans guten Mutes, gestärkt mit reichlich Fendant, voller Freude was da komme. Plötzlich war es stockdunkel in der Liternahalle. Einzig an der Stirnseite hinter einem Tor brannte ganz oben noch eine 50 Watt Birne. Das war noch weit vor der Handyzeit, ein wenig Licht gabs dann nur noch durch die Feuerzeuge der Raucher. Zirka 45 Minuten war das ziemlich gespenstisch, komischerweise funktionierte der Bierhahn aber noch!
Immer gerne erinnere ich mich an die Vorbereitungsspiele, v.a. im Ausland zurück. Legendär zwei Spiele in Kärnten gegen Villach und Klagenfurt. Wir hatten die Zimmer in Villach, und auch das erste Spiel sollte dort stattfinden. In der Anfahrt haben wir dann im Radio gehört, dass das 1.Spiel in Klagenfurt sei. Da mussten wir dann recht Stoff geben, um nicht umsonst durch halb Europa gefahren zu sein.
Unvergesslich für mich sind generell all die Bekanntschaften und Freundschaften, die ich durchs Eishockey, speziell durch den EHC Chur, machen durfte. All die vielen Fan Treffen und Begegnungen mit Gleichgesinnten haben mein Leben geprägt.
Und gibt es auch ein Spiel, welches du am liebsten aus deiner Erinnerung löschen möchtest? Langnau, klar, aber gibt es noch andere??
Ich möchte nicht einmal das Langnau Spiel, oder den Abstieg gegen die Gelben missen! Sieg und Niederlage, Auf- und Abstiege, das gehört dazu und zu mir.
Dass der EHC ein verrückter Verein ist, wissen wir nur zu gut. Wieso meinst du, ist das aber so? Wieso schaffen wir immer das, was alle anderen nicht schaffen und dafür nicht, was alle anderen schaffen?
Ich vermute mal, wir brauchen das einfach. Stellt euch mal vor, wir wären Fans von einem Club wie Bayern München (ich weiss, ich weiss es gibt Bayern Fans auch unter uns), langweiliger geht es gar nicht mehr. Das Fan Leben muss dich durchschütteln, besser als beim EHC Chur geht das ja kaum!
Abgesehen von der Coronasituation, was meinst du, wie schätzt du den EHC Chur 2020 ein?
Die Mannschaft schätze ich sicher stark genug für die PO ein, aber die Liga ist halt schon sehr ausgeglichen. Grosse Stücke halte ich auf Trainer Tomas Tamfal!
Die Vereinsführung macht einen wirklich guten Job. Wann ist beim EHC überhaupt letztmals jemand freiwillig Präsident geworden?
Umfeld: Ich würde mir mehr junge, aktive Fans wünschen. So wie damals die Supporters Druck auf den Fan Club gemacht haben. Solches Miteinander/Gegeneinander ist sehr inspirierend. Leider ist die Schmalspur Geschichte, das waren die besten Jahre.
Was glaubst du, wo steht der EHC in – na, sagen wir mal – 15 Jahren?
Nun, nach ganz oben wird es uns ohne Donator wohl nicht mehr reichen. Mit dem Bau der Trainingshalle verbessert sich aber die Infrastruktur markant. Auf die eigenen Junioren können wir in Chur, im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen, ja auch immer bauen. So hoffe ich mal, dass wir in 15 Jahren als eigenständiger Club in der zweithöchsten Liga spielen werden, wie sie denn auch aussieht. Ein Bisschen Profi Hockey würde schon Spass machen.
So, jetzt wird’s schwierig, du darfst deinen All Time All Star Block des EHC Chur zusammenstellen:
So schwierig ist das gar nicht, allerdings habe ich mal auf die Spielpositionen keine Rücksicht genommen:
– Goalie: Renato Tosio, für mich nicht diskutierbar
– V 1: Andreas John, hätte er nicht beruflich ein paar Jahre ins St. Gallische gewechselt, hätte er wohl sein ganzes Leben für den EHC gespielt. Ein Vorbild in jeder Hinsicht, v.a. auch menschlich!
– V 2: Marc Haueter, nach dem Lizenzentzug, und der Durchreichung in die 1.Liga habe ich ihn gefragt, was er jetzt mache: ich bleibe, jemand muss ja bleiben. Worte, die unter die Haut gehen, und die man nie vergisst. Vom Einsatz her immer vorbildlich!
– S 1: Haris Vitolins: Haris war von der Klasse und vom Einsatz her absolut top!
– S 2: Bobby Lavoie, wahrscheinlich der Beste, der je bei uns gespielt hat!
– S 3: Manuel Holenstein, ein absoluter Lichtblick, spielerisch + v.a. auch charakterlich. Wenn er beim Einspielen auf dem Eis stand, war man grad beruhigt: Super Mäni, eben!
Und wer ist / war dein absoluter Lieblingsspieler?
Unschwer zu erraten, das war Haris, ohne Zweifel!!
Und zum Schluss, was bedeutet dir der EHC Chur?
Also ich muss schon sagen, ohne EHC Chur wäre mein Leben wohl anders verlaufen. Mein Umfeld wäre ein ganz Anderes. Ich kann mir schlecht vorstellen, ohne EHC zu leben: er hat mir viel gegeben, und ich habe ihm viel gegeben. Die wichtigste Erkenntnis vielleicht: bist du mal unten, schüttle dich durch, steh wieder auf, und schau nach vorn!!
Danke, Martin für deine spannenden Ausführungen!